Donnerstag, 31. Mai 2018
Das Rilke-Projekt 17.03.2016
"Durch alle Wesen reicht der
eine Raum:
Weltinnenraum.
Die Vögel fliegen still
durch und hindurch.
O, der ich wachsen will,
ich seh hinaus, und in mir
wächst der Baum.
Ich sorge mich
und in mir steht das Haus.
Ich hüte mich,
und in mir ist die Hut.
Geliebter, der ich wurde:
an mir ruht der schönen Schöpfung Bild und
weint sich aus."

Ich bleibe an dem Wort 'Weltinnenraum' hängen.

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Montag, 28. Mai 2018
Das Rilke-Projekt 12.03.2016
"Wie mich die kleinste
Vogelstimme draußen trifft und
angeht, lieber Gott,
daß es Frühling würde und
ich käme irgendwo
mit allen Sinnen an die Natur."

Es ist Samstagmittag und sehr still. Draußen beginnt das Wochenende. Drinnen findet eine Fortbildung zum Thema Atem und Achtsamkeit statt. Während der Reflexion im Anschluß an eine Atemübung entsteht eine Gesprächspause. Plötzlich beginnt im Innenhof eine Amsel laut und lebhaft zu singen.
Und in diesem Moment ist Frühling.

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Freitag, 2. Dezember 2016
Das Rilke-Projekt 09.03.2016
"Alle Frühlinge, welche Sie und ich
erlebt haben, zusammengenommen,
reichen noch nicht aus, eine Sekunde
Gottes zu füllen.
Der Frühling, den Gott bemerken soll,
darf nicht in Bäumen und auf Wiesen bleiben,
er muß irgendwie in den Menschen mächtig werden,
denn dann geht er, sozusagen, nicht in der Zeit,
vielmehr in der Ewigkeit vor sich und
in Gegenwart Gottes."

Außen und Innen, Natur und Psyche, Gott und Mensch - alles in einer einzigen großen Bewegung zusammengeführt.
Bewunderung.
Und Neid.

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Das Rilke-Projekt 08.03.2016
"Was wir Frühling fühlen,
sieht Gott als ein flüchtiges, kleines Lächeln
über die Erde gehen.
Sie scheint sich an etwas zu erinnern,
im Sommer erzählt sie allen davon,
bis sie weiser wird in der großen,
herbstlichen Schweigsamkeit,
mit welcher sie sich
Einsamen vertraut."

Dieselbe Mischung aus Bewunderung und Neid, wenn ich lese, mit welcher Leichtigkeit Rilke Gott ins Spiel bringt.

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Das Rilke-Projekt 06.03.2016
"Natur ist glücklich.
Doch in uns begegnen sich zu viele Kräfte,
die sich wirr bestreiten:
wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten?
Wer weiß zu scheinen?
Wer vermag zu regnen?
Wem geht ein Wind durchs Herz, unwidersprechlich?
Wer faßt in sich der Vogelflüge Raum?
Wer ist zugleich so biegsam und gebrechlich
wie jeder Zweig an einem jeden Baum?"

Ich finde es grandios, wie Rilke es schafft, innere Vorgänge in berührende und kraftvolle Bilder zu gießen.
Empfinde Bewunderung.
Und Neid.

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Samstag, 1. Oktober 2016
Das Rilke-Projekt 03.03.2016
"Ich lerne sehen. Ich weiß
nicht, woran es liegt, es geht
alles tiefer in mich ein und
bleibt nicht an der Stelle
stehen, wo es sonst immer zu
Ende war. Ich habe ein
Inneres, von dem ich nicht wußte.
Alles geht jetzt dorthin.
Ich weiß nicht, was dort
geschieht."

Sehen zu lernen - im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne - ist der Weg dieses Blogs.

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Donnerstag, 29. September 2016
Das Rilke-Projekt 28.02.2016
"Es ist die eine, immer wieder
bestätigte Erfahrung, zu der
ich langsam vorgeschritten bin
nach einer bangen vielverzagenden
Kindheit, daß die wirklichen
Fortschritte meines Lebens
gewaltsam nicht heraufbewegt
werden können, daß sie lautlos
eintreten und daß ich an ihnen
beschäftigt bin, wenn ich still und
inständig an den Dingen arbeite,
die ich im tiefsten Sinne als meine
Aufgabe erkannt habe."

Ich beneide jeden, der ohne Zweifel weiß, welches seine Lebensaufgabe ist. Ich habe mehr Zweifel als Klarheit und mehr Skepsis als Hoffnung.
Aber Rilke macht mir Hoffnung.

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Sonntag, 4. September 2016
Das Rilke-Projekt 13.02.2016
"Wenn aber dieses alles
möglich ist,
auch nur einen Schein
von Möglichkeit hat, -
dann muß ja, um alles
in der Welt, etwas geschehen.
Der Nächstbeste, der,
welcher diesen beunruhigenden
Gedanken gehabt hat,
muß anfangen, etwas von dem
Versäumten zu tun."

Dieser Satz trifft mich beim Lesen wie ein Schlag auf den Kopf.
Wegen der Unbedingtheit.
Des Auftrags.
Und der Notwendigkeit.
Des Schreibens.
Nicht nur für den, der schreibt,
sondern für die ganze Welt.

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Das Rilke-Projekt 12.02.2016
"Ist es möglich, daß die
ganze Weltgeschichte
mißverstanden worden ist?
Ist es möglich, daß die
Vergangenheit falsch ist, weil man immer
von ihren Massen gesprochen hat,
gerade, als ob man von einem
Zusammenlauf vieler Menschen
erzählte, statt von dem Einen zu
sagen, um den sie herumstanden,
weil er fremd war und starb?
Ja, es ist möglich."

Fremd.
Gestorben.
Ein Einzelner, der die Geschichte prägt.
Jesus?
In seiner Areopagrede sagt Paulus: "Gott hat über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen; jetzt aber läßt er den Menschen verkünden, daß alle überall umkehren. Denn er hat einen Tag bestimmt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den er dazu bestellt und vor allem dadurch ausgewiesen hat, daß er ihn von den Toten auferweckte." (Apostelgeschichte 17, 30f).

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Dienstag, 23. Februar 2016
Das Rilke-Projekt 11.02.2016
"Ist es möglich, daß man
trotz Erfindungen und
Fortschritten, trotz Kultur,
Religion und Weltweisheit an
der Oberfläche des Lebens
geblieben ist?
Ist es möglich, daß man sogar
diese Oberfläche, die doch immerhin
etwas gewesen wäre, mit
einem unglaublich langweiligen
Stoff überzogen hat, so daß
sie aussieht wie die Salonmöbel
in den Sommerferien?
Ja, es ist möglich."

Warum sollte man sich so intensiv mit den Alltäglichkeiten ausländischer Monarchen, heimischer Ex-Adeligen und Top-Models beschäftigen, wenn nicht aus einem Gefühl entsetzlicher Langeweile mit dem eigenen Leben?

"Mach dich nicht schmutzig!"
"Komm da runter - das ist zu gefährlich!"
"Was sollen die Nachbarn denken?"
"Das schaffst du doch nicht."
Ja, es ist möglich.
Und es ist traurig.

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