Donnerstag, 14. Januar 2016
Das Geheimnis schauen 25.12.2015
"Es ist lange her, daß die Tage des Advent Tage der Stille waren, in denen man einen inneren Weg Schritt um Schritt bedächtig ging durch die kürzer werdenden Tage und die langen Nächte auf die eine Stelle, die Krippe, zu, in der man mitten in der Dunkelheit ein Mysterium empfing. Es ist, als wäre das Heilige, das Geheimnis, verloren, überflutet von Lichtern und überlärmt von Worten, überrannt von rastloser Leere, vom Gerede über das Fest. Das Fest aber, das eine Quelle der Kraft war, ist wohl nur noch die Stunde, die anzeigt, daß die Kraft zu Ende ist.
Vielleicht sind die Wochen des Advent in der Tat verloren, jedenfalls für diese Generation oder für eine Reihe von Jahren. Für uns bleibt wohl nur, die Stille dort zu suchen, wo sie unzerstört ist: in den Tagen danach. Vielleicht verstehen wir mehr, wenn die Lieder gesungen und die Kerzen abgebrannt sind, wenn das Jahr auf seine letzte Stunde zugeht. Vielleicht entdecken wir heute eine Folge von Nächten neu, die für viele Generationen vor uns von hoher Bedeutung waren, die zwölf heiligen Nächte, deren Reihe am Christfest beginnt und auf das Fest der Erscheinung Christi hinführt. Vielleicht finden wir in ihnen noch die Stunde, in der wir allein sind mit einem Wort oder einem Bild, in der wir ein wenig vom Sinn unseres Daseins und dem Geheimnis Gottes berühren."
aus: Jörg Zink: Zwölf Nächte. Was Weihnachten bedeutet, überarbeitete Neuausgabe Eschbach: Verlag am Eschbach 2009, 7.

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