Mittwoch, 9. Dezember 2015
Dem Leben abgelauscht 09.08.2015
Sehr lange habe ich überhaupt nichts gehört.
Leider.
Feierabendverkehr und die S-Bahn proppevoll.
Plötzlich höre ich eine Frauenstimme laut und aufgeregt in meine Lektüre sagen:
"Hat jemand von Ihnen mal etwas zu trinken?"
Dann, ein wenig leiser: "Aber ich kann das Heimlich-Manöver nicht."
Ich sehe hoch.
Auf der anderen Seite des Ganges steht eine junge Frau vor einem älteren Mann mit einer Pizza-Schachtel auf dem Schoß. Er hält sich eine Hand vor den Mund und scheint zu würgen.
Zu hören ist nichts.
Die junge Frau blickt auf ihn hinunter und ruft dann erneut durch den Wagen:
"Hat jemand mal etwas zu trinken?"
Eine Frau in der Nähe einer Tür sagt:
"Ich habe nichts zu trinken, aber ich kann Hilfe holen. Brauchen wir einen Arzt?"
Sie hält ihr Handy hoch.
Die junge Frau sieht fragend zu dem Mann mit der Pizza-Schachtel.
Er räuspert sich, hustet auch, aber nicht laut. Noch immer ist nicht auszumachen, daß er mit dem Ersticken kämpft.
Dann kommt eine Flasche Mineralwasser aus der nächsten Bankreihe. Die Frau, die sie spendet, sagt entschuldigend:
"Aber ich habe schon davon getrunken."
Die junge Frau nimmt lächelnd die Flasche und hält sie dem Mann hin.
Er legt die Pizza-Schachtel neben sich auf den Sitz und greift nach dem Wasser.
Inzwischen haben wir die nächste Station erreicht. Die Frau mit dem Handy fragt erneut:
"Soll ich einen Arzt holen?"
Der Mann trinkt einen Schluck Wasser, hustet nochmal und sagt dann: "Danke."
Die junge Frau fragt: "Geht es wieder?"
Er nickt.
Trinkt.
Hustet erneut.
Der Zug fährt weiter.
Die junge Frau setzt sich wieder auf ihren Platz.
Nachdem der Mann noch einige Male gehustet hat, bedankt er sich bei der jungen Frau.
Sie lächelt.
Der Mann will die Wasserflasche zurückgeben, aber die ursprüngliche Besitzerin lehnt ab.

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